Faszination des Androgynen


»Wenn Ihr zwei in eines schafft und das Innere als das Äußere und das
äußere als das Innere und das Oben wie das Unten und das Männliche

wie das Weibliche in ein einziges, so daß der Mann nicht männlich und
das Weib nicht weiblich ist (...) so werdet Ihr das Reich haben.«

Apokryphes Thomas-Evangelium  

Als Androgyn bezeichnet man einen Menschen, der die sekundären Geschlechtsmerkmale des anderen Geschlechts aufweist. Beim Mann ist der Bartwuchs nicht besonders ausgeprägt, die Stimme ist höher und vielfach sind sogar Brüste vorhanden. Auch das Gefühls-Verhalten eines androgynen Mannes ist oftmals eher weiblich ausgeprägt. Umgekehrt kann auch eine Frau mit primären weiblichen Geschlechtsorganen auf auffällige Weise sekundäre männliche Merkmale aufweisen: Die Stimme bei ihr ist tief, ein Busen ist kaum oder gar nicht vorhanden und im Gesicht sprießt ein "Frauenbart". Androgyne Menschen werden fälschlicherweise oft auch Zwitter genannt, da ihr Geschlecht auf Anhieb nicht klar bestimmbar ist. Durch die zweigeschlechtlichen Merkmale einer androgynen Frau verdeutlicht sich laut Wissenschaft die unbewußte Phantasie vom Weib mit dem Penis - eine Vorstellung, die sich laut Sigmund Freud angeblich aus dem Kastrations-Komplex des Mannes bilden soll.
Quelle: Lycos Sex Lexikon

Adam und Eva, Romeo und Julia. Wie selbstverständlich scheint sich die Menschheit in zwei Geschlechter zu teilen. Doch bereits im antiken Griechenland wurde die Androgynie, die Vereinigung eines männlichen und eines weiblichen Teils in einer einzigen Person, als ein Sehnsuchtsmodell gedeutet

In einem androgynen Wesen sollte die als ursprünglich vorhanden, aber verloren geglaubte Einheit der beiden Geschlechter wiedererlangt werden. Auch dem Christentum gilt das Androgyne als göttliches Prinzip, das sich in den (geschlechtslosen) Engeln als Sendboten Gottes widerspiegelt.

Den streng philosophisch-religiösen Zusammenhang hat das Bild des Androgynen inzwischen verloren. Doch nach wie vor steht es für die Sehnsucht nach Vollkommenheit, die vor allem in der Popkultur einen schillernden Ausdruck findet.

Michael Jackson etwa wurde mit chirurgischer Hilfe zu einem geheimnisvoll geschlechtslosen Wesen, und Grace Jones versucht mit geschorenem Kopf und maskuliner Kleidung die Geschlechtergrenzen zu verwischen.

 

von Sebastian Preißler, Dominik Obalski