Für unser Projekt über „Barocke Liebeslyrik in
Deutschland“ haben wir ungefähr 40 Gedichte aus dieser Zeit durchgeforstet
und kamen zu dem Ergebnis, dass uns dieses Gedicht am allerbesten
gefällt.
Warum es uns so angesprochen hat, soll aus dem folgenden Beitrag hervorgehen,
der eine Zusammenschau der Einzelinterpretationen, die alle Schüler
und Schülerinnen der 11c zu diesem Gedicht verfasst haben, darstellt.
Zunächst der Originaltext:
Sibylla Schwarz
„Ist Lieb ein Feur“
Ist Lieb ein Feur/ und kann das Eisen schmiegen/
Bin ich voll Feur/ und voller Liebes Pein/
Wohrvohn mag doch der Liebsten Hertze seyn?
Wans eisern war/ so würd eß mir erliegen/
Wans gülden war/ so würd ichs können biegen
Durch meine Gluht; solls aber fleischern seyn/
So schließ ich fort: Eß ist ein fleischern Stein:
Doch kann mich nicht ein Stein/ wie sie/ betriegen.
Ists dan wie Frost/ wie kalter Schnee und Eiß/
Wie presst sie dann auß mir den Liebesschweiß?
Mich deucht: Ihr Herz ist wie die Loorberblätter/
Die nicht berührt ein starcker Donnerkeil/
Sie/ sie verlacht/ Cupido/ deine Pfeil;
Und ist befreyt für deinem Donnerwetter.
Sibylla Schwarz war die Tochter eines Greifswalder Bürgermeisters
und wurde 1621 geboren. Sie starb schon im Alter von 17 Jahren. Gerade
diese Tatsache macht ihre Werke lesenswert, da es weder zu ihrer Zeit noch
heute Gleichaltrige gibt, die auf diese Art ein Gedicht geschrieben haben
bzw. schreiben würden. Sibylla Schwarz scheint ein sehr originelles
und kluges Mädchen gewesen zu sein. Damals, im 17. Jahrhundert, war
es für ein Mädchen sicher geradezu revolutionär, solche
Gedichte zu verfassen, da Bildung und Poesie nahezu ausschließlich
männliche Privilegien waren.
Die junge Dichterin war eine gewiefte Technikerin. Zeittypisch handelt
es sich bei ihrem Gedicht um ein Sonett, dessen Elemente sie durchgängig
gekonnt anwendet.
Grob gesagt, zerfällt jedes Sonett in zwei Teile, d.h. zwei
Quartette und zwei Terzette. Der Wechsel von den Quartetten zu den Terzetten
markiert meist einen gedanklichen Sprung Durch das raffinierte Reimschema
(das erste Quartett hat mit abba einen umarmenden Reim, der sich im darauffolgenden
Quartett wiederholt; die beiden ersten Zeilen der Terzette unterliegen
jeweils dem gleichen Endreim und die letzte Zeilen des ersten Terzetts
reimt sich auf die des letzten Terzetts) werden die einzelnen Gedankenschritte
gekonnt miteinander verwoben. Das Versmaß ist überwiegend der
Alexandriner, der aus dem sechsfüßigen Jambus mit Zäsur
in der Mitte – ideal für gedankliche Antithetik - besteht. Die
letzten beiden Zeilen, manchmal nur die letzte, bringt die Aussage des
Dichters/der Dichterin auf den Punkt.
Uns hat gefallen, dass sich Sybilla Schwarz in diesem Sonett in die
Rolle eines Mannes versetzt, der in ein Mädchen verliebt ist, das
sich ihm jedoch eiskalt entzieht und nicht erweichen lässt. Das lyrische
Ich befasst sich in dem ganzen Gedicht fast nur mit dem Herzen des Mädchens
und nennt keine anderen Merkmale (wie die barocken Dichter es sonst im
Schönheitspreis der Damen tun). Sibylla Schwarz lässt den Mann,
in dessen Rolle sie schlüpft, ausschließlich und ausgiebigst
nach dem Material, aus dem das kalte Herz seiner Geliebten besteht, forschen.
Dabei kommt die Dichterin auf eine Reihe so merkwürdiger
wie origineller Vergleiche, oft in Form von Metaphern und Oxymora, die
sie direkt, nachdem sie sie genannt hat, ad absurdum führt. Auf der
Suche nach einem Vergleich für das Herz seiner Angebeteten sucht der
Verliebte zunächst Dinge, die er mit dem glühenden Feuer seiner
Liebe beeinflussen könnte. Jedoch muss er sofort einsehen, dass sein
Feuer entweder zu schwach ist ihr Herz zu entflammen oder ihr Herz aus
einem Material ist, das einfach zu resistent gegen sein Feuer ist.
Immer mehr Vergleiche zieht er in Erwägung und verwirft sie gleich
wieder, da er zu Erkenntnis kommt, dass das Herz der Geliebten weder aus
Eisen noch aus Gold sein könne, da es sonst durch das Feuer beeinflussbar
sein müsse. Wäre das Herz nicht „fleischern“, so müsse es
doch hart wie Stein sein - doch Steine wiederum können nicht betrügen.
Der personifizierte Stein ist weniger hart als die Geliebte! Also passen
diese Vergleiche auch nicht. Das Herz kann auch nicht aus Schnee oder Eis
bestehen, da es sonst den Verehrer nicht zum Schwitzen bringen würde.
Fazit: Jeglicher Vergleich ist vergebens!
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Peter Paul
Rubens
"Amor schnitzt den Bogen" |
Damit bleibt nur noch ein für heutige Verhältnisse sich nicht
gerade leicht vorzustellender Vergleich des Herzens der Geliebten mit einem
Lorbeerbaum. Nichts kann diesem Lorbeerbaum etwas antun, weder die Donnerschläge
des Gewitters noch die Blitzpfeile des Liebesgottes Amors.
Um diese Textzeile zu verstehen, muss man so gebildet sein, wie Sibylla
Schwarz es offensichtlich war. Der Vergleich des kalten, unberührbaren
Herzens mit dem Lorbeerbaum bezieht sich nämlich auf eine sinnbildliche
Deutung, die man in den Emblembüchern des 16.und 17. Jahrhunderts
gefunden hat (eine Deutung, die wiederum auf dem lateinischen Schriftsteller
Ovid beruht). Ein Emblem des gelehrten Joachim Camerarius unter dem Motto
„ Unantastbare Tugend“ zeigt hier einen Baum, an dem links und rechts
Blitze eines schweren Gewitters vorbeizischen. Darunter befindet sich ein
lateinischer Text, in dem in etwa gesagt wurde: „ So wie die schöne
Tugend unverletzt bleibt vom Übel, so unverletzt bleibt auch der Lorbeerbaum.“.
Es ist klar, dass so selbst die Liebespfeile Amors nichts gegen die Tugendhaftigkeit
der Frau ausrichten können. Die Liebesmühen des Liebenden lassen
die Frau eiskalt und sind von vornherein vergebens.
Konsequent !
Gefallen hat uns auch die Sprache des Gedichtes, die natürlich
nicht dem jetzigen Hochdeutschen entspricht, aber wohl der im 17. Jahrhundert
üblichen Art zu schreiben. Dies ist ein gutes Beispiel dafür,
dass Sprache sich immer weiter entwickelt und verändert und dass auch
die neue Rechtschreibreform der deutschen Sprache, über die sich viele
von uns sehr aufregen, nur eine Etappe einer langen Entwicklung sein kann.
Zurück zum Gedicht. Wir glauben, dass Sybilla Schwarz dadurch,
dass sie aus der Sicht des Mannes schreibt, ihre eigenen Gefühle verdeckt
weitergeben will. Sie wäre gern die Frau, die ihren „ Schwarm“ auf
diese Weise anpreisen könnte.
Andererseits will sie vermitteln, dass es nicht ausreicht, sich zu
überlegen, aus was das Herz des oder der Geliebten sei: Man
muss für die Liebe arbeiten und um sie kämpfen, um etwas so Starkes
zu gewinnen, das alles andere schmelzen kann. Sie macht sich lustig über
die gestelzte männlichre Rhetorik ihrer Zeit.
Deshalb könnte man das ganze Gedicht als eine Art Aufruf der Autorin
an den Geliebten sehen, sich nicht nur ausgeklügelte Gedanken über
die Liebe zu machen, sondern Taten sprechen zu lassen, sprich, auf die
Geliebte zuzugehen und wirklich um sie zu kämpfen. Und dies gilt sowohl
damals als heute noch!
Zeynep Akyel, Deniz Abar |
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